Auf Streife, Teil 01


Vor zwei Jahren hatte Herlin Kargerheim endlich den Rang eines Hauptwachtemeisters erhalten. Mit 40 Jahren war er nicht besonders jung für diesen Posten, hatte aber auch nicht kurz bis vor seine Pensionierung warten müssen. Hauptwachtmeister war ein beeindruckender Titel für einen Mann aus dem Volk, geboren und aufgewachsen in der Neustadt.
Er selbst war weniger beeindruckend. mit etwas über einem Meter und siebzig konnte er schon einmal hinter einem seiner Kollegen verschwinden, wenn er sich seitlich stellte. Andernfalls war er zu breit: breiter Kopf, breite Schultern, breite Hüften und breiter Bauchumfang. Seine Frau seit 23 Jahren betonte immer wieder, dass sein Biergenuss ihn nicht dünner werden ließ, aber was sollte er tun, er liebte sein Bier nach der Arbeit, wenn er sich mit einigen seiner Freunde im Grünen Bocksfuß traf. Außerdem fand er es auch nicht schlimm, dass man seinen Rang, so zu sagen, an seinem Bauch ablesen konnte. Die jungen Anwärter und Unterwachtmeister mussten noch etwas beweisen. Sie rannten den Dieben hinterher, kletterten über Mauern, brachen Türen ein. Und beim Marqin rannten sie wie von Bienen gejagt über den Platz.
Herlin brauchte das nicht mehr. Er wusste, wo die Diebe hin rannten, er kannte die Wege durch oder um die Mauer herum und wusste, dass er jederzeit jemanden mit einem Rammer oder einem Vorschlaghammer finden konnte, um eine Tür geöffnet zu bekommen. Und beim Marqin kannte er genug Tricks, um den Schläger gerade an der Stelle zu haben, wo er sein musste, um am Ball bleiben zu können.
Er wäre der erste gewesen, der von sich zugegeben hätte, dass er kein besonders ehrgeiziger oder intelligenter Mann war. Er war ein einfacher Mann, der viele Erfahrungen auf der Straße gesammelt hatte und gut darin war, diese umzusetzen, nicht, dass er es so ausgedrückt hätte. Er hätte gesagt, dass er seiner Nase folgte, dass es ihm in den Zehen juckte oder, wenn kein Weibsvolk anwesend war, dass er es im Urin spürte.
So groß seine Gassenschläue jedoch auch sein mochte, und so klein sein Ehrgeiz auch war, er war mit seinem Momentanen Stellung nicht zufrieden. Als Hauptwachtmeister ging man nur noch selten auf die Straße, hatte zu wenig Kontakt mit dem Volk und musste zu viel Schreiben. Gut, er wurde auch nicht jünger, der Nebel lag an manchen Tagen schwer auf seiner Brust, aber er mochte die langen Streifen.

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